Building Information Modeling (BIM) ist und wird zukünftig ein entscheidender Bestandteil der Planung und Ausführung von Bauvorhaben in Deutschland. Vergabe-, Koordinations- und Ausführungsprozesse werden durch digitale Bauwerksinformationsmodelle deutlich effizienter, exakter und nachhaltiger. Alle Informationen, die bisher zwar digital in Plänen, Gutachten und Exposees vorlagen, waren nicht maschinenlesbar. Digitalisierung benötigt aber definierte Datenstrukturen und Informationen, hier in Attributsätzen formuliert. buildingSMART international hat in den vergangen 30 Jahren die dazu notwendige Datenstruktur eines geometrisch-semantischen Modelles definiert, die durch den Standard ISO 16739 als Industry Foundation Classes weltweit etabliert ist. Europäische und nationale Richtliniengeber, Behörden, Vereine und Verbände arbeiten seit 10 Jahren mit Hochdruck daran, die notwendigen Informationen zu erforderlichen Merkmalen für einen reibungslosen Austausch festzulegen und zu konsolidieren.
Im Rahmen der Veranstaltung zur Einführung des Merkmal-Portals von BIM Deutschlandi durch Bundesbauministerin Geywitz und Bundesverkehrsminister Dr. Wissing hat am 11. Oktober 2022 in Berlin ein erster Ideathon stattgefunden.
Der Merkmalserver publiziert standardisierte Attribute und Eigenschaften, um sie für alle am Bauprozess Beteiligten nutzbar zu machen. Bisher mussten die nötigen Bauwerks-Informationen in jedem Projekt neu definiert werden und sowohl in der Modellierung als auch allen Prüfprozesse angepasst werden. Ein immenser Aufwand in Deutschlands Bauindustrie, die durch Firmengrößen unter 10 Mitarbeitern geprägt ist.
Aus den drei Aufgabenstellungen des Ideathons wählten Teilnehmern dieser Gruppe das Thema „BIM-Einführung beschleunigen: Wie lässt sich die BIM-Umsetzung in Deutschland durch kreative Ideen und Prozessinnovationen beschleunigen?"
Problemstellung
Der Einsatz der BIM-Methode im Zuge der allgemeinen Digitalisierung wird durch den Stufenplan (2015) und die Masterpläne für Bundesfernstraßen und Bundesbau (2022) vorgegeben und ist auch in privatwirtschaftlichen Bauprojekten nicht mehr aufzuhalten. Zurzeit liegen die Vorteile von BIM heute vor allem auf der Seite der Auftraggeber und Generalunternehmer. Nachunternehmen und KMUs haben selbst heute wenige Vorteile von BIM, da sie zur Nutzung und Integration der Daten in ihre eigenen Geschäftsprozesse leistungsfähige und praxistaugliche Softwarelösungen benötigen. Diese sind heute oft mit hohen Investitionen verbunden und die fehlende Benutzbarkeit stellt weitere Hürden für den alltäglichen Einsatz dar.
Eine zentrale Einstiegshürde für KMUs ist die noch unvollständige Standardisierung von Attributen, Attributwerten und gebündelten Anwendungsfällen, die sich heute je nach Auftraggeber und eingesetzter Software ändern. Außerdem ist zurzeit die Auseinandersetzung mit Datenspezifikationen, -typen und komplexen Softwareapplikationen für einen funktionierenden Datenaustausch unerlässlich. Somit kommt eine eigenständige Softwareentwicklung, die sich auf nur bestimmte Anwendungsfälle bezieht, für Kleinunternehmen mit vielen verschiedenen Auftraggebern nicht infrage. Die Entwicklungskosten und das damit verbundene technologische Risiko sind zu hoch; schließlich leidet auch die Benutzbarkeit darunter, dass eine generische Anwendung alle möglichen verschiedenen Anforderungen der Auftraggeber abbilden muss. Dies führt zu Frustration und Ablehnung gegenüber der BIM-Methodik generell.
Einführung des BIM-Portals des Bundes
Die im eingeführte BIM-Portal veröffentlichten „Merkmale“ sind verbindlich bereitzustellen und zu pflegen. Bei der Vergabe und während der Bearbeitung öffentlicher Bauaufträge des Bundes sind sie in Zukunft die Grundlage des Informationsaustausches. Es wurden bereits branchenspezifische Merkmale (z.B. von der Deutschen Bahn AG, BIM Hamburg, Pflegestelle Bund) vorab publiziert, die im laufen des Jahres konsolidiert werden. Um die Daten im Rahmen von Ausschreibungen verbindlich von Auftragnehmern einzufordern, gibt es Vorlagen für Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) und den geforderten Anwendungsfällen der Informationsaustauschbedarfe.
Ziele
Wir wollen mit unserem Vorschlag erreichen, dass in Deutschland alle KMUs an der Digitalisierung beteiligt werden. Dabei sollen sie einen möglichst geringen eigenen Mehraufwand betreiben müssen. Ohne erhebliche Entwicklungsrisiken soll es den KMUs ermöglicht werden, auf einfache Weise vorhandene Geschäftsprozesse auf die neuen offenen Schnittstellen umstellen können.
Auch finanziell wollen wir keine neuen Hürden aufstellen, sondern KMUs mit erprobter, bezahlbarer Software, welche für den jeweiligen Anwendungszweck optimiert ist, den Zugang zur BIM-Methodik ermöglichen.
Wenn Software-Anwender den Komfort (Usability) ihrer privaten Applikationen gewohnt sind, dann muss auch die Software, die sie täglich betrieblich nutzen, diesen Anforderungen gerecht werden. Die Bedienbarkeit moderner Social-Media Apps ist das Ziel.
Wesentliche Kriterien an die Softwarelösungen für breite Akzeptanz bei kleinen und mittleren Unternehmen, ob im ausführenden Handwerk oder im kleinen Planungsbüro, sind:
Ein durchgängiger Datenfluss von der Projektidee bis zum Abriss bzw. der Verwertung bietet allen an der Wertschöpfungskette Bauen Beteiligten Mehrwerte.
Standardisierte Attributsätze und Anwendungsfälle werden von Fachverbänden in praxistaugliche Software übersetzt
Die Grundidee von BIM-O-Kopter liegt zunächst in der nationalen Standardisierung der BIM-Attribute und -Klassifizierungen anhand bestehender und bekannter deutscher Normen. Im Weiteren bietet dies einen Ausgangspunkt für die europäische Harmonisierung des Marktes. Die VDI-Richtlinie 2552 Blatt 9 hat den Rahmen für Klassifizierungssysteme abgesteckt und den Startpunkt gesetzt.
Das BIM-Portal ist ein wesentlicher und lang ersehnter Schritt. Dieser ermöglicht es, Anwendungen zu entwickeln, welche vollständig dem Ziel des Nutzers dienen können und Attribute und Normen verbergen. Die Entwicklung solcher Software muss fachspezifisch sein. Darum muss dieser Schritt durch die Fachverbände eingeleitet, getragen und überwacht werden. Mit dem gemeinsamen Ziel, gute Software für alle Anwender in der Branche zu entwickeln, wird das Entwicklungsrisiko minimiert und die Erfolgsaussichten erhöht. So kann Software “as-easy-as-possible" entstehen, um gleiche Chancen für KMUs deutschlandweit zu schaffen. Dadurch wird die Digitalisierung mit BIM auch bei kleinen Handwerksbetrieben zur Anwendung kommen.
Für übergreifende Kompatibilität und modulare Erweiterbarkeit muss die Software auf freien offenen Standards und Frameworks basieren, deren Entwicklung im Interesse der Öffentlichkeit und der Fachverbände steht.
Um die Entwicklungsrisiken und -kosten zu teilen , gleichzeitig aber keine zusätzlichen Abhängigkeiten zu neuen marktbeherrschenden Datenplattformen zu schaffen, möchten wir auf die Fachverbände zugehen und sie davon überzeugen, die Entwicklung solcher Software gemeinsam mit ihren Mitgliedern zu tragen und für öffentliche Förderung solcher Digitalisierungsprojekte zu werben. Weiterhin kann die Rolle der Fachverbände sein, Weiterbildungen anzubieten und als Interessenvertretung ihrer Mitglieder in BIM-Standardisierungsgremien zu wirken.
In den Abbildungen 1 und 2 sieht man, wie wir uns einfache Software mit einer Bedienbarkeit ohne Schulung vorstellen. Grundlage der Ausschreibung für einen Fliesenleger ist ein Bauwerksinformationsmodell, das von den Objektplanern in der Leistungsphase 5 erstellt wurde. Von diesem BIM-Modell können Mengen abgeleitet und zusammen mit Teilleistungspositionen auf einem Ausschreibungsportal des Fachverbandes veröffentlicht werden. Passen die Ressourcen des interessierten Handwerksbetriebs, der Zeitraum und die räumliche Nähe, dann gibt er nur seine Preise ein und schickt damit sein Angebot ab. Daneben erfährt der Handwerksbetrieb auch nähere Einzelheiten, wo im Gebäude die Arbeit zu erbringen ist und welcher Transportaufwand aufgrund von vorhandenen Lagerflächen eingeplant werden muss; dies zeigt ihm der Ausschnitt des Modells. Die Vorteile für beide Seiten liegen auf der Hand, Auftraggeber und Auftragnehmer können besser kalkulieren, zeitlich planen und schneller Angebote abgeben bzw. Abfragen.
Interaktive Beispielspräsentation im Web
Zusammenfassung
Die Voraussetzung für BIM-O-Kopter liegt in der Standardisierung der BIM-Attribute und -Klassifizierungen anhand bestehender und bekannter deutscher/europäischer Normen. Wenn es mit dem BIM-Portal zukünftig nicht mehr nötig ist, Attribute und ihre Werte für jeden Anwendungsfall neu zu definieren, dann wird es möglich sein, kosteneffizient Software zu entwickeln, deren Benutzung so einfach wie Apps ist. Damit wird die BIM-Methodik dann auch bei kleinen und mittleren Betrieben zur breiten Anwendung kommen!
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